Montag, 14. Oktober 2013

Besser gerüstet

Bisher spielten außen- und sicherheitspolitische Vorstellungen keine Rolle in den Sondierungsgesprächen zwischen Union und SPD, sowie zwischen Union und Grünen. Ein Graben zeichnet sich beim Thema Rüstungsexporte ab.

Europa, der Euro, ja. Für alles andere außen- und sicherheitspolitische reichte die Zeit nicht. Die erste Sondierungsrunde zwischen Union und SPD, sowie zwischen Union und Grünen, hatte andere inhaltliche Prioritäten als die Außen- und Sicherheitspolitik. In der in dieser Woche stattfindenden zweiten Sondierungsrunde dürfte dieser Themenkomplex zumindest teilweise auf der Tagesordnung stehen.

Denn schon im Wahlkampf empörten sich SPD und Grüne über die schwarz-gelbe Rüstungsexportpolitik. „Skandalös und hochgefährlich“ (Peer Steinbrück) sowie von „schmutzigen Deals“ (Claudia Roth) war die Rede. Auch im gestrigen Bericht aus Berlin wiederholte Roth die Position der Grünen und ihre diesbezügliche Skepsis für die morgige Sondierung. Skepsis daher, da sich die Union in ihrem Wahlprogramm in „nur“ zwei allerdings deutlichen Sätzen damit befasst: Sie strebe „verstärkt gemeinsame Rüstungsprojekte mit 
den Partnern in EU und NATO an.“ Außerdem halte sie „an den geltenden strengen Richtlinien für die Ausfuhr von Rüstungsgütern fest“ und sie setze sich „weiter für eine Angleichung der Rüstungsexportrichtlinien innerhalb der EU ein.“

Streitthema dieser Passage und sich abzeichnender Graben dürfte insbesondere das Festhalten der Union an den geltenden Richtlinien für Rüstungsexporte sein. Denn einer der Kernpunkte des Grünen Wahlprogramms, der auch unter ihren 9 Regierungsprioritäten genannt wird, fordert genau das Gegenteil: Striktere Kontrollen für Rüstungsexporte. Durch drei Elemente soll dies gewährleistet werden: 1.) Einführung eines verbindlichen und restriktiven Rüstungsexportgesetzes, 2.) Abschaffung des Bundessicherheitsrates in seiner jetzigen Form und Einführung des Konsensprinzips der Bundesregierung, und 3.) Einsetzung eines parlamentarischen Gremiums zur Kontrolle der deutschen Rüstungsexporte, mit aufschiebenden Vetorecht.

Auch die SPD fordert in ihrem Wahlprogramm eine restriktivere Rüstungsexportpolitik. Wie auch die Grünen will sie dies durch die Einführung eines parlamentarischen Gremiums im Bundestag umsetzen, das „bei zentralen Waffenexportentscheidungen“ die Bundesregierung kontrolliert. Von einem Vetorecht dieses Gremiums ist nicht die Rede, genauso wenig wie die von den Grünen geforderte Abschaffung des Bundessicherheitsrates. Somit würde das parlamentarische Kontrollgremium ergänzend zum Bundessicherheitsrat geschaffen und mit dessen Kontrolle beauftragt. Insgesamt fordert die SPD eine Rückkehr zu den Rüstungsexportrichtlinien aus der „rot-grünen Regierungszeit.“

Anhand des jährlichen Rüstungsexportberichts, der bis zum Jahr 2011 vorliegt, lässt sich jene von der SPD angestrebte Rückkehr in rot-grüne Regierungsjahre konkret in Zahlen benennen. "Aussagekräftig" sind die Genehmigungen für die Ausfuhr von Rüstungsgütern in Drittländer (weder NATO- noch EU-Mitgliedsstaaten noch gleichgestellte):

Zwischen 1999 und 2005 wurden unter Rot-Grün Rüstungsgüter im Wert von 0,781 (1999); 0,599 (2000); 1,3 (2001); 0,744 (2002); 1,6 (2003); 1,1 (2004); und 1,7 (2005) Milliarden Euro an Drittländer ausgeliefert. In der Großen Koalition beliefen sie sich auf 1,2 (2006 + 2007); 3,1 (2008) und 2,5 (2009) Milliarden Euro. Unter Schwarz-Gelb auf 1,4 (2010) und 2,3 (2011) Milliarden Euro.

Demnach fallen die Rüstungsexport-Höchstwerte der letzten drei Bundesregierungen in die Zeit der Großen Koalition, mit Werten von 3,1 und 2,5 Milliarden Euro. Bei Schwarz-Gelb hingegen beliefen sich diese Werte auf 1,4 Milliarden Euro (2010) und 2,3 Milliarden Euro (2011). Aber auch die rot-grüne Bundesregierung setzte neue Maßstäbe in Sachen Rüstungsexport und stand wiederholt vor einer internen „Belastungsprobe“ (Reinhardt Bütikofer). Sie übertraf den Höchstwert aus dem Jahr 1998 von 1 Milliarde Euro mit 1,7 Milliarden Euro in 2005.

Obwohl sich in diesen Zahlen für keine Bundesregierung ein kontinuierlicher Trend (steigend oder fallend) erkennen lässt, unterstreichen sie doch eines: In Rüstungsexport- und Kontrollfragen liegen Union und Grüne insgesamt weiter auseinander, als es Union und SPD tun. Zwar steht der Union mit den Grünen ein interessanter Sondierungs- und Perspektivpartner gegenüber. Und trotzdem ist es kaum vorstellbar, dass die Grünen die Merkelsche Rüstungsexportpolitik mittragen könnten, die bei ihnen bereits in geringerem Umfang unter Kanzler Schröder Übelkeit auslöste. Für einen „Politikwechsel“, wie er auch hier von den Grünen gefordert wird, steht Angela Merkel als Wahlsiegerin wiederum nicht zur Verfügung.

Union und SPD hingegen haben sich zuletzt 2005 zusammengefunden und über vier Jahre eine gemeinsame Rüstungsexportpolitik getragen. Es scheint als sei die SPD für die Aufnahme von Koalitionsverhandlungen besser gerüstet.

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