Freitag, 7. Juni 2013

Mehr Werkstatt als Konsens

Deutsch-Französische Entscheidungswege in der Europapolitik


Die Bibliothek des Auswärtigen Amtes ist gut besucht, als Staatsminister Michael Link, Beauftragter für die Deutsch-Französischen Beziehungen, die Veranstaltung eröffnet. Leicht schwäbelnd begrüßt Link die Gäste des Hauses und stellt dann Rahmen und Thema des Abends vor: 50 Jahre Elysee-Vertrag und deutsch-französischen Entscheidungswege in der Europapolitik. Zu diesem Anlass ist eine Publikation der Stiftung Genshagen, der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik (DGAP) und der Universität Cergy-Pontoise erschienen, die 26 Wissenschaftler aus beiden Ländern zusammen bringt.

Fünf Koautoren des Kooperationsbandes bilden das Panel, das sich für den Zusatz im Buchtitel „Die Konsenswerkstatt“ entschieden hat. Dass am Ende des Abends spannende Einblicke gegeben wurden, es aber mehr nach Werkstatt als nach Konsens in den deutsch-französischen Beziehungen klingt? Geschenkt. Vielmehr bleibt der nachhaltige Eindruck, dass Wissenschaft und Politik hier eine gemeinsame Sprache gefunden haben. Denn nachdem die Autoren die Ergebnisse ihrer Arbeit zu den Fallbeispielen vorstellen, bezieht Link zu den geäußerten Beobachtungen, Thesen und Empfehlungen, Stellung. Und das ausführlich. Die Diskussion mit dem Publikum muss da hinten anstehen.

Einzeln geht Link die Autoren und ihren Themen im deutsch-französischen Entscheidungsprozess durch. Claire Demesmay, Programmleiterin Frankreich bei der DGAP, spricht über den Arabischen Frühling und berichtet, dass sich andere Staaten durch die „Omnipräsenz Frankreichs in der Region“ eingeschränkt fühlten. Auch die Libyenkrise 2011 kommt zur Sprache. Um Verständnis für den „schwierigen Abstimmungsprozess“ (Demesmay) in den bilateralen Beziehungen werbend, weist Staatsminister Link auf die „Determinante“ Frankreichs als ständiges Mitglied des UN-Sicherheitsrates hin. Darin würden sich Deutschland und Frankreich schlicht unterscheiden. Deutschland sei zwar während der Libyenkrise nichtständiges Mitglied im UN-Sicherheitsrat gewesen, ist es aber heute nicht mehr, erklärt Link. Bedauern über diesen Zustand, lässt sich bei ihm in diesem Moment nicht erkennen. Die Bilder aus Syrien liegen in der Luft.

Auf Demesmay folgt Elsa Tulmets, Marie Curie Fellow am CERI/Sciences Po Paris, die ihre Beobachtungen zum russisch-georgischen Konflikt (2008) vorstellt. Kaum ist der erste Satz ausgesprochen, wird es unruhig im Saal: sie spricht auf Französisch und die wenigsten haben ein Headset für die Übersetzung parat. Deutschland und Frankreich hatten keine besondere bilaterale Rolle in diesem Konflikt, beschreibt Tulmets und grenzt gleich ein: „Im Vorfeld und während der Krise nicht. Sondern erst danach.“ Als einfacher MdB, der er damals war, erinnert sich Link, dass er sich eine wichtigere Rolle der Hohen Vertreterin der EU für Außen- und Sicherheitspolitik in diesem Konflikt erhofft habe. Er wünscht sich den Mut der EU und deren Mitgliedsstaaten, das besagte Amt zu „stärken.“ Eine richtiger Gedanke, allerdings auch ein Allgemeinplatz. Selbst die Freien Wähler haben diesen Punkt in ihrem Bundestagswahlprogramm.

Weniger „klassisch“ außenpolitisch sind Sabine von Oppelns Ausführungen zur Energiepolitik nach Fukushima. „Intergouvernemental“ sei das Politikfeld der Energiepolitik, sagt die Politikwissenschaftlerin der FU Berlin, außerdem „hochsensibel“ und von „unterschiedlichen Positionen, Strukturen und Misstrauen“ im deutsch-französischen Verhältnis geprägt. Der europäische Stresstest, also die Überprüfung der 134 europäischen Atomkraftwerke nach Fukushima, sei ein „unterdrückter Konflikt“ gewesen, bei dem die Fachebene gezeigt habe, dass auch sie Probleme lösen kann. Link sagt dazu nur Bekanntes. Es gäbe Ereignisse die alles verändern, Fukushima wäre so eins gewesen. Auch dass sich in der FDP-Bundestagsfraktion nicht alle einig waren, ob die Kehrtwende in der Energiepolitik in dem Tempo nötig sei, ist bekannt.

Unter Zeitdruck erteilt Martin Koopmann, Vorstandsmitglied der Stiftung Genshagen, schnell noch Julien Thorel das Wort für die Schlussfolgerungen. Thorel, der an der Universität Cergy-Pontoise forscht, nennt verschiedene abschließende Empfehlungen der Autoren, darunter die Ansiedlung des Beauftragten für die Deutsch-Französischen Beziehungen im Bundeskanzleramt. So würde das Amt aufgewertet, empfiehlt Thorel. Subtext: Wichtige Außenpolitik wird im Kanzleramt gemacht. Schon qua Amt muss Link widersprechen: Er sei kein „Schaufensterbeauftragter“ und seine Arbeit finde überwiegend im Hintergrund statt. Im Kanzleramt angesiedelt, wäre sein Job zwar „protokollarisch aufgewertet“, aber vom „Unterbau“ und „institutionellen Wissen“ des Auswärtigen Amtes abgeschnitten. Außerdem stelle der EU-Rat für Allgemeine Angelegenheiten und Außenbeziehungen „einen enormen Mehrwert dar“, bei dem er den Bundesaußenminister gelegentlich vertrete. Eine klare Absage an die Empfehlung der Wissenschaftler.

Ach ja, ein Headset für die Übersetzung haben alle weniger frankophilen Zuhörer noch bekommen. Soll keiner sagen, es gäbe Verständigungsprobleme zwischen Deutschen und Franzosen. Der Verdacht allerdings, passt zum Ton der Autoren.

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